28. Januar 2025
Deutschprüfung B1 – das Gemeinschaftsprojekt von ÖSD & Goethe
Gemeinsam mit dem Goethe-Institut und dem Lern- und Forschungszentrum der Universität Freiburg / Schweiz hat…
Das diesjährige Motto der weltweit größten Deutschlehrertagung, der IDT 2025 in Lübeck, lautet: „Vielfalt wagen“. Wie bereits in unserem ersten Blogbeitrag erwähnt, ist dieses Thema für das Österreichische Sprachdiplom Deutsch (ÖSD) weit mehr als ein Leitgedanke. Es ist Teil unserer täglichen Arbeit.
Das ÖSD lebt Vielfalt in unterschiedlichster Weise, beispielsweise durch
Doch was bedeutet diese Vielfalt ganz konkret – für Menschen, die mit dem ÖSD arbeiten, prüfen oder lernen?
In diesem Beitrag lassen wir drei von ihnen zu Wort kommen. Ihre Geschichten stehen stellvertretend für viele: Teilnehmende, Prüfungsverantwortliche und Mitarbeiter:innen, die zeigen, wie lebendig, vielschichtig – und menschlich – Vielfalt beim ÖSD wirklich ist.
Den Anfang macht ein ÖSD-Prüfungsteilnehmer. Seine persönliche Geschichte zeigt, wie sprachliche Vielfalt neue Wege eröffnet – und was Deutsch für ihn bedeutet.
Der 26-jährige Softwareentwickler Ali Behrouzinia stammt aus dem Iran. Er hat einen Bachelorabschluss in Computer Engineering und lebt derzeit in Paderborn. Die Vielfalt liebt er – nicht nur in Zusammenhang mit Sprachen, sondern auch im Denken, Lernen und überhaupt im Leben.
Seine analytische und kreative Perspektive prägt ihn auch beim Deutschlernen. „Ich suche immer nach Möglichkeiten, mich weiterzuentwickeln – beruflich und persönlich“, sagt Ali. Und diese Haltung spiegelt sich in seinem Lernweg wider.
Aufgewachsen mit Persisch-Kurdisch als Muttersprache, spricht er heute auch fließend Englisch auf C1-Niveau. Deutsch hat er auf dem Niveau B2 gelernt: Zunächst war der Wunsch, in Deutschland eine Ausbildung zu machen, sein Antrieb. Schon bald entdeckte er aber die Schönheit der Sprache selbst: „Mich fasziniert, wie präzise und strukturiert Deutsch ist. Es macht mir richtig Spaß, mit den sprachlichen Feinheiten zu spielen.“
Diese Offenheit für sprachliche Nuancen ist es auch, die Ali beim Umgang mit Vielfalt hilft. Er nutzt deutschsprachige YouTube-Kanäle, Podcasts und andere digitale Medien nicht nur, um sein Hörverstehen zu trainieren, sondern auch, um kulturelle Unterschiede zu verstehen. Themen wie Alltagsleben, gesellschaftliche Werte und Sprache in Deutschland sind für ihn genauso wichtig wie Grammatikregeln. „Es motiviert mich sehr, wenn ich mich im Alltag immer besser verständigen kann“, erzählt er.
Ein Meilenstein in seinem Lernprozess war die Vorbereitung auf die ÖSD-Prüfung – eine Herausforderung, die ihm einiges abverlangte: „Man kann sich da nicht einfach durch Auswendiglernen retten. Die Prüfung geht in die Tiefe.“ Für ihn war das kein Hindernis, sondern ein Ansporn, noch genauer hinzusehen, wie Sprache wirklich funktioniert.
Ali Behrouzinias Weg zeigt, wie vielfältig und individuell Sprachenlernen sein kann – besonders dann, wenn man bereit ist, sich mit neuen Denkweisen und Kulturen auseinanderzusetzen. Neugier, Ausdauer und Mut sind für ihn die Schlüssel zur Entwicklung – Werte, die in jeder Sprache Bedeutung haben.
Und was bedeutet nun Vielfalt im Alltag eines ÖSD-Prüfungszentrums? Eine engagierte Prüfungsverantwortliche gibt Einblicke in ihre Arbeit – und Haltung.
Das Thema der IDT 2025 und dieses Blogbeitrags trifft bei Amra Sinanović, Deutschprofessorin und Inhaberin des ÖSD-Prüfungszentrums „deutsch.ba“, ins Schwarze: Sie liebt die Vielfalt sowohl beruflich als auch privat. Ihr Motto lautet: Je bunter, desto besser. Es braucht auch Mut dazu, die eigene Vielfalt zu zeigen. Und Bereitschaft, die Vielfalt anderer anzunehmen – und auch zu fördern.
Die umfangreiche Skala der ÖSD-Deutschprüfungen und die vielen begleitenden Angebote sind für Amra von großer Bedeutung: „Allein das Wissen, das mir bisher vom ÖSD zur Verfügung gestellt wurde, zeigt eine beeindruckende Vielfalt, obwohl es ‚nur‘ um Prüfungen ging.“
In einem Land – Bosnien – zu leben, das in puncto Sprache, Kultur und Religion so viel Abwechslung bietet, empfindet Amra als großes Glück. Erstaunlich für sie ist, wie sehr Unterschiede auch wieder verbinden: „Oft stoßen wir bei der Arbeit mit Kursteilnehmern – deren kultureller Hintergrund ein anderer ist – auf Bräuche, die einander angepasst oder sogar zusammen entstanden sind. Oder wir entdecken ähnliche im deutschsprachigen Raum“, freut sie sich.
Ihr Anliegen ist es generell, den Teilnehmer:innen der Kurse für Deutsch als Fremdsprache die Schönheit des vielfältigen Ausdrucks zu vermitteln – und sie zur Vielfalt zu ermutigen. Manche Lernende finden es nämlich anfangs nicht gerade erleichternd, wenn in Ländern mit derselben Sprache verschiedene Ausdrücke für einen bestimmten Gegenstand verwendet werden – wie es eben in plurizentrischen Sprachen wie Deutsch der Fall ist.
Für Amra ist es jedoch immer wieder bereichernd und berührend, wie viel Freude beim Sprachenlernen zu beobachten ist. Wenn sich Teilnehmer:innen selbst über kleine Erfolge so freuen, dass die ganze Gruppe mitlacht und sich alle verbunden fühlen. So etwa beim Spielen mit den ÖSD-Memorykarten – und der Erkenntnis, dass das Brathähnchen in Deutschland wiederum Brathendl oder Brathuhn in Österreich und Güggeli oder Poulet in der Schweiz heißt …
Die Perspektive aus dem Inneren des ÖSD rundet das Bild ab: Eine Mitarbeiterin spricht darüber, wie sie Vielfalt im Team, in der Zusammenarbeit – und in der Sprache – wahrnimmt.
„Vielfalt“ ist für die langjährige ÖSD-Mitarbeiterin Karoline Janicek ein schönes und zugleich schwieriges Wort – nämlich im Kontext von Prüfungen, die standardisiert sind. Sie findet es aber wichtig, dass die Themen und Interpretationsmöglichkeiten bei den kommunikativ orientierten Prüfungen des ÖSD so vielfältig sind.
„Aus dem Alltag der zentralen Bewertung bzw. Prüfungshospitationen kann ich sagen, dass es immer wieder verblüffend ist, wie bunt und verschiedenartig die Antworten bei den Prüfungen sein können“, berichtet Karoline. Hintergrund: Die ÖSD B2-Prüfung enthält eine Fragestellung: Wie gehen Sie mit dem Thema um? Durch diesen offenen Frageimpuls kommen unterschiedlichste Stellungnahmen und Aussagen zustande – je nach Herkunftsland der Teilnehmer. „So eröffnen sich für das ÖSD-Team regelmäßig neue, vielfältige Welten!“
Beim Österreichischen Sprachdiplom Deutsch (ÖSD) ist jede Variante der deutschen Sprache in der Prüfung erlaubt, wenn sie korrekt ist und durchgängig angewendet wird. Als Maßstab gilt das Variantenwörterbuch des Deutschen von Ulrich Ammon, Profile deutsch und Ähnliche. Karoline freut sich, wenn Teilnehmende aus der ganzen Welt die verschiedenen Standardvarietäten des Deutschen anwenden, je nachdem, wo sie gelernt haben oder leben. Dazu sagt sie: „Im mündlichen Bereich ist es besonders schön, wenn Lernende höherer Niveaus bei Aussprache und Lexik deutlich machen, welche Standardvariante des Deutschen sie beherrschen.“
Karoline Janicek ist häufig zur Abnahme von Prüfungen weltweit unterwegs. Ihre Dienstreisen führten sie schon nach Indien, Marokko, Vietnam, Mexiko u.v.m. Dies ist für sie Vielfalt pur. Bei mündlichen Prüfungen in afrikanischen Prüfungszentren, etwa im Benin, beobachtete sie, dass öffentliche Plätze mit einer Statue darauf einerseits als Treffpunkt und andererseits als bedeutende Sehenswürdigkeit behandelt werden. Praktisch als Äquivalent zum Konzept europäischer Museen. „In meinem Arbeitsumfeld zeigt sich Vielfalt nicht nur durch Sprache – sondern auch durch Orte mit kollektivem Erinnerungswert, durch Gerüche oder Kleidung.“
Für ihre Arbeit beim ÖSD wünscht sich Karoline auch in Zukunft die Offenheit bei Themenwahl und Aufgabenstellungen, die das Unternehmen und die Deutschprüfungen jetzt schon auszeichnet. Und: Bei der mündlichen Prüfung weiterhin das Geschick der Interlokutor:innen, die Aussagen der Teilnehmenden aufzugreifen und so in einen Dialog zu kommen. Dies ermögliche, dass die Prüfungsteilnehmer:innen (gemäß dem Prinzip, dass sie selbst im Fokus stehen, also der sogenannte human approach) ihre authentische und individuelle Sprachproduktion zeigen und auf ihre Erfahrungen zurückgreifen. „Es hilft auch gegen den Drill, im Unterricht nur teach to the test zu machen“, weiß sie.
Für Karoline steht fest: Eine Sprache zu lernen bedeutet, sich dem Wagnis von Vielfalt auszusetzen. Wer eine neue Sprache lernt, begibt sich in eine neue Denkwelt, die im besten Fall „anders” ist als jene, die man vorher kannte. „Vielfalt heißt auch, Gedanken zu formulieren, die man ohne den Impuls der neuen Sprache vielleicht nie gehabt hätte. Wie in unserem Fall die plurizentrische Sprache Deutsch.“
Drei Perspektiven, drei Geschichten – und ein gemeinsamer Nenner: Vielfalt ist nichts Abstraktes. Sie lebt im Miteinander.
In der Prüfung, im Unterricht, in der Kolleg:innenschaft. Zwischen Menschen, die mit unterschiedlichen Sprachen, Erfahrungen und Erwartungen zusammenkommen – und durch Deutsch eine Verbindung finden.
Was die IDT 2025 zum Thema Vielfalt wagen in den Fokus rückt, ist beim ÖSD tagtäglich gelebte Realität. Und doch bleiben wir neugierig, offen – und bereit, Vielfalt immer wieder neu zu entdecken.
Internationale Tagung der Deutschlehrer:innen (IDT)
28. Juli bis 1. August 2025 in Lübeck, Deutschland
Weitere Informationen unter
www.idt-2025.de